Im Wald und im unteren Kar lag der Neuschnee dank des ausgiebigen Weihnachtstauwetters teils ohne Unterlage, das besserte sich aber bald. Erstaunlicherweise fanden sich nur vier Spuren im Kar. Die Latschenstufe war heute deutlich besser in Schuss: die Schi mussten nur ein paar Meter in die Hand genommen werden. Depot wieder auf ca. 1700m im oberen Kar. Bis dorthin war der Schnee noch fluffig, weiter oben hat der starke Ostwind der letzten Tage teilweise für einen tragenden Deckel gesorgt. Somit eine ideale Kombination: bis hierher mit Schi, der Rest im Eis und beide Herzen in der einen Brust waren glücklich. Nachdem wir bei den letzten Besuchen in unserem Lieblingskühlschrank bereits die „Scotch on the Rocks“ bis auf die noch nicht vorhandene 1. SL im Original und die Schlüssellänge des Marihuanabams“ geklettert waren, stellten wir uns heute an diesem Prachttag (allerdings mit etwas Spindrift zur weiteren Kühlung) eine etwas leichtere, in einer SL vielleicht sogar neuen Linie zusammen. Start wieder über die schöne Einstiegsstufe des „Marihuanabams“ (WI4), danach das lange, aber landschaftlich wunderschöne Gestapfe zur Riesenstufe. Einige Rinnen und Mulden erfordern sehr sichere Schneeverhältnisse. Heute querten wir auf einer Spur vom Mittwoch etwas höher, so dass wir die leichte (und stark eingeschneite) WI3-Stufe links liegen ließen. Verfrachtungen gab's keine, da die alte Spur noch von unten bis oben vorhanden war. Anstrengend war's trotzdem. Die nächste WI4-Stufe sind wir jetzt schon zwei Mal gegangen, so war heute die links abzweigende „Milchbubenvariante“ aus dem Jahr 2014 dran (momentan rein im Eis, WI3, der angeblich vorhandene NH war wohl vom Eis verborgen, so es ihn noch gibt). Diese Variante umgeht den ersten Aufschwung der Riesenstufe von „Scotch on the Rocks“ (WI4) links ... … und erreicht diese wieder etwa auf Höhe des Stands hinter dem Eisvorhang, den man aber nicht ganz erreicht. Nach dem 2. Teil der langen Stufe (kurz WI4, dann WI3 und Schnee) erreicht man links der Rinne einen passablen Köpflstand. Nun im Schnee unter den eindrücklichen Zapfen und Vorhängen der „Scotch …“ durch Richtung „Marihuanabam“ und bei der letzten durchgängigen Eisstufe rechts kurz steil (WI4) auf geniales Eisband, das man ansteigend und luftig rechts ansteigend quert (WI3). Herrliche Länge, Panorama inklusive! So lange Eisquergängegibt' wohl auch nicht so oft. Damit es zur unteren Umgehungsvariante passt, dachten wir uns – mit 66% Frauenanteil im Team – „Milchmädchenvariante“ wäre für die obere Umgehung ein gut zu den „Milchbuben“ unterhalb passender Name. Allerdings sind die Mädchen deutlich anspruchsvoller als die Buben. Die letzte Länge verläuft nach weiterer, kurzer Rechtsquerung über die leichte Abschlussstufe der „Scotch …“ (WI3) und über Schnee zum Ostgrat. Dürfte sich momentan um den leichtesten, reinen Eisanstieg durch die Nordwand des Westlichen Geierkopfes handeln. In drei SL WI4, 2 SL WI3 und 2 SL stapfen (+ die lange, seilfreie Stapfpassage zwischen Einstiegsstufe und Hauptwand). Absolut lohnend und gut mit Schrauben absicherbar. Die Lawinenlage muss aber unbedingt passen. Bei warmen Nachmittagslicht war der aussichtsreiche Wächtengrat zum Gipfel ein weiterer Höhepunkt. Haben ein neues, kleines Gipfelbüchlein am Kreuz deponiert; das volle ist noch oben, da wir keine Rucksäcke dabei hatten. Los war nicht viel: außer uns waren noch 8 Tourengeher im Kar und eine sehr gemütliche Seilschaft sahen wir noch in den „Bayerisch-schottischen Wintergames“ herumhakeln. Hoffentlich mit Stirnlampe … Schi im Zustieg sind nach wie vor ein echter Gewinn: bei bis zu 30cm Powder im Aufstieg schneller und im Abstieg noch schneller und natürlich genussreicher. Steffi legte sogar mit Bergschuhen eine gute Abfahrtsspur ins Kar, Christine und ich sparten uns den Schuhwechsel ebenfalls, mussten dafür aber mit Schistiefeln klettern, was dem Genuss auch keinen großen Abbruch tat. Vom Eingang ins Kar bis zum Schidepot bewährte sich die Hosenbodentechnik. Zusätzlich zur üblichen Eiskletterausrüstung kamen zwei 60m-Halbseile zum Einsatz, 8-10 Schrauben aller Längen samt Expressen waren dabei und auch ein paar Normalhaken und Cams baumelten am Gurt. Ein herrlicher Wintertag mit entsprechend frostigen Temperaturen. Mal schauen, wie oft es uns heuer noch in diesen Winkel verschlägt, offene Wünsche und lohnende Möglichkeiten gäb's noch genug. Der große Hype um diese Touren, der bis vor ein paar Jahren noch herrschte, ist wohl verflogen. Uns soll’s recht sein. Die Lawinenlage muss aber tatsächlich sehr sorgfältig beurteilt werden: am Tag nach unserer Begehung ereignete sich wohl in der Nähe dieser Tour leider ein tödlicher Absturz ausgelöst durch ein Schneebrett im Stapfgelände. Ganz schlau wird man aus der Berichterstattung nicht, zumal dieses leichte (aber nicht flache) Gelände mittlerweile von mehreren Seilschaften begangen worden war. Hat der Wind über Nacht wieder zugelegt und für eine zunehmende Schneeverfrachtung gesorgt? Wie so oft bleibt die Frage nach dem Warum. Es ist immer wieder erschütternd, wie nah Euphorie und Leid gerade bei dem was wir am liebsten machen – Berge abseits der ausgetretenen Wege zu besteigen – zusammen liegen. An dieser Stelle wünschen wir dem überlebenden Alpinisten gute Besserung und viel Kraft bei der Bewältigung des Erlebten und der kommenden Zeit. Letzteres gilt selbstverständlich auch für die Angehörigen des leider verstorbenen Seilpartners.
1 Kommentar
der Kanadier
25/1/2024 20:37:27
Ich wollte mich nur dafür bedanken, dass Sie in Ihrem Blogbeitrag ein paar Informationen über den Lawinenunfall, in den ich involviert war, veröffentlicht haben.
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