Diese vier Aspekte beschreiben die Tage um den Jahreswechsel mit Kristin und Kathi ziemlich gut. Doch vielleicht sollte ich von Anfang an beginnen zu erzählen und vorwarnen, dass dieser Artikel von dem üblichen Format auf der Homepage etwas abweicht. Doch wer sich trotzdem darauf einlassen will, ist herzlich eingeladen den nachfolgenden Worten zu folgen: Saisonauftakt im Eis, mit gemütlichem einpickeln und das alte Jahr ausklingen lassen. So war der Plan von Kristin und mir. Nur leider wusste das Eis im Engadin nichts von unserem Plan, denn ein Blick in die Zukunft hätte uns gezeigt, dass keine der von uns angestrebten Eislinien viel Eis hatte. Doch solch ein Zukunftsblick wollte uns auch unter Bündelung all unseres Könnens nicht gelingen und so stapften wir voller Motivation mit Eisaurüstung zum Lagrevfall. Dieser war von der Straße aus nicht sichtbar, doch sieht man nach einer guten dreiviertel Stunde die Wand und schnell konnten wir nicht mehr leugnen, dass sich die Linie kaum aufgebaut hatte. Damit war nun auch geklärt, warum wir das Eis nicht vom Ausgangspunkt sehen konnten, obwohl es Aussagen gab, dass dies eigentlich möglich ist. Da stellt sich uns die nun schwierige Frage: Was nun? Einsteigen, nur mit Eisschrauben, die uns im Felsen logischerweise überhaupt nichts helfen? Runter zum Auto und in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit morgen mit Cams noch einmal kommen? Oder einer sprintet runter zum Auto – so weit von Sprinten gesprochen werden kann, da man sich bei zu dynamischen auftreten im Schnee sofort versenkte – und holt die dort zurückgelassenen Cams? Ziemlich genau diese drei Fragen stellten wir uns und trotz großer Motivation für die Linie, die uns unter den aktuellen Verhältnissen, ziemlich ansprach, mussten wir zugeben, dass ein Einsteigen einfach nur leichtsinnig wäre. Also bleiben nur mehr zwei Optionen übrig: Morgen noch einmal kommen widersprach sich mit unserer Motivation, nach einer langen Anfahrt, sich noch zu bewegen. Ohne große Absprache war klar, ich werde zurücklaufen und somit eine unerwartete Konditionstrainingseinheit einlegen, um mit Cams und einer weiteren Stirnlampe wieder zurückzukommen, während Kristin am Einstieg bereits schon alles herrichtet, damit ich beim Zurückkommen nur mehr in meinen vorbereiteten Klettergurt springen muss und wir unmittelbar durchstarten können. Doch erst einmal musste ich starten und das Auto erreichen. Dort angekommen stieg ich auf meine Ski um, da ich dadurch deutlich mehr Zeit wieder gut machen konnte und somit nicht nur meine persönliche Bestzeit im Zustieg erreicht werden konnte, sondern sich auch ein Einstieg in die Tour mit gutem Gewissen ausging. Und noch viel wichtiger, wir wurden nicht enttäuscht, sprich die Zusatzhöhenmeter hatten sich gelohnt, da wir mit herrlicher Mixedkletterei belohnt wurden, welche sich als Jahresabschluss durchaus sehen lassen konnte. Ohne den Gebrauch der Stirnlampen kamen wir letztlich wieder am Auto an und nach einem Silvesterschmaus verschliefen wir das neue Jahr, in der Hoffnung, am nächsten Tag endlich auf Eis zu treffen. Das Plan A mit Eis wieder nicht aufgeht, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, doch zumindest bei Plan B, der eher unter dem Namen „ganz nett, aber nicht so ganz nach dem eigenen Geschmack“ fällt, gab es endlich reinen Eiskontakt. Und nachdem wir uns auf die künstliche Bewässerung und maximal eine Seillängen langen Routen in der Pontresinaschlucht eingelassen hatten, war der Tag deutlich besser als erwartet. Die nächsten Touren sollten aber wieder länger werden und so ging am Abend das große Packchaos los, bei dem sich dann herausstellte, dass Kathi ihre Felle vergessen hatte, der Plan aber einen Zustieg über den Persgletscher vorsah. Und da stellte sich schon wieder die Frage nach dem was nun? Also überlegten wir, was sich in der Vergangenheit schon alles als Fellersatz bewährt hatte. So zum Beispiel Mullbinden oder Latschen direkt unter der Bindung. Beides war jedoch keine rechte Option, denn ersteres hatten wir nicht genug und letzteres ist höhenbedingt schwierig. Doch irgendwie drehte sich dann alles zum Positiven und Kathi schaffte es, sich Felle zu organisieren. Damit war nun bereits ein Problem aus der Welt geschaffen. Jetzt galt es eigentlich nur noch ein Rätsel zu lösen, und zwar ob wir auch zu dritt in ein Zweimannzelt passen? Und so viel sei vorweggegriffen: Geht schon! Aber sicherheitshalber probierten wir dies erst einmal noch im Trockenen und warmen aus, um dann für den Ernstfall gut vorbereitet zu sein und zu wissen, wie wir uns stapeln müssen. Gesagt … getan … und wie bereits vorweggegriffen, es funktioniert. Und eine Erkenntnis aus dem Probedurchlauf: Wir sparen uns sogar eine Isomatte, da sowieso nur zwei von der Breite her hineinpassen. Wobei die Person in der Mitte als zusätzlichen Komfort zum Schlafen auf den Seilen und Innenschuhen noch eine Schaumstoffmatte erhalten sollte. So zumindest der Plan. Doch Pläne funktionieren nicht immer wie erhofft. Im vorliegenden Fall machte uns der Wind einen Strich durch die Rechnung und klaute uns die Matte und somit stand uns diese zumindest für diese Nacht nicht zur Verfügung. Schade um das Hochtragen, denn die Rucksäcke waren durch sehr viel Kleidung aufgrund der angesagten kalten Temperaturen nicht ganz leicht und der Weg durch zu wenig Schnee für Ski und zu viel, um zu Fuß zu gehen zugegebenermaßen etwas mühsam. Doch an einem flachen und spaltenfreien Bereich unter dem Piz Cambrena angekommen und einer der beiden angestrebten Couloirs im Hintergrund konnten die schweren Rucksäcke endlich zurückgelassen und gegen die gesamte Kletterausrüstung getauscht werden. Da wir allerdings noch bis zum Wandfuß den nun endlich gegebenen Komfort mit den Ski genießen wollten, ging es behängt wie ein Christbaum mit Steigeisen, Eisgeräten, Jacken, … weiter, bis der Schnee zu hart wurde und wir auf Steigeisen wechselten und in gutem Styroporschnee das Couloir zum ersten Stand hochpickelten, von idyllischem Quietschen der Geräte im Schnee begleitet. Damit erschloss sich am Stand angekommen allen, denen es noch nicht bekannt war, der Hintergrund des Namens „Styroporschnee“, da jeder Schritt mit Geräuschen, wie das Schneiden von Styropor begleitet wurde. Zusätzlich fanden wir im Gegensatz der letzten Tage auf die uns unterschiedlich geliebte Materie Eis. Glücklicherweise fanden jedoch einige Eisschrauben im Rahmen einer gemeinsamen Besprechung des Materials nach einem doch recht chaotischen Packprozess noch Platz in einem der Rucksäcke und waren dadurch auch gerade zur rechten Zeit am Gurt des Vorsteigers. Allerdings stellte sich nach anfänglicher Freude über das anzutreffende Eis heraus, dass die von Eis bedeckten Stellen durch zahlreiche vorherige Seilschaften bereits wie ein Schweizer Käse durchlöchert waren. So kamen die Schrauben zwar zum Einsatz, schließlich hatten wir sie extra hochgetragen, doch die Placements fielen eher unter die Kategorie „mehr schlecht als recht“. Doch dies ging keinesfalls auf Kosten der Sicherheit, denn im Gegensatz zum ersten Tag mit Kristin hatten wir diesmal von Anfang an Cams und Eisschrauben dabei, wodurch wir es im neuen Jahr nicht zur Tradition werden ließen, dass immer eine Person den Zustieg zweimal macht. Doch um zurückzukommen auf das durchlöcherte Eis und unserem zu Verfügung stehenden Material: Über oder unter jeder als mäßig eingestuften Eisschraube fand sich ein Platz für einen Cam im Felsen zur zusätzlichen Absicherung. Nach ca. 500m war jedoch sowohl das Eis als auch der Fels zu Ende und wir standen am Ausstieg des Joos-Couloirs. Noch schnell ein Ausstiegsfoto und dann der Kälte der NW-Wand entfliehend schnell wieder hinunter und einer kuscheligen Nacht entgegen, denn für einen Abstieg war es bereits zu spät. Am Rucksackdepot angekommen erwartete uns die wohl größere Herausforderung als die Tour selbst, denn sich zu dritt in dem kleinen Zelt zu organisieren war auch durch die Lage auf dem Schnee kompliziert. In der Trockenübung war es so einfach und hier haperte es zugegebenermaßen etwas in der Umsetzung. Stellt sich die Frage, ob wir daran arbeiten werden oder vielmehr bevorzugt Basecamps ohne Schnee wählen? Das wird sich mit der Zeit bestimmt noch für alle herausstellen, bisher wissen nur wir drei darauf bereits eine Antwort. Aber, man fasst es kaum irgendwann hatten wir es tatsächlich geschafft und das Zelt war heimelig eingerichtet und nach einer Mahlzeit ging es mit mindestens sechs Kleidungsschichten in die Schlafsäcke, wobei es letztlich nicht so kalt wie erwartet wurde. Es hat scheinbar doch einen Vorteil zu dritt in einem Zelt zu schlafen, welches für zwei Leute konzipiert wurde. Oder waren es die Schlafsäcke, Kleidungsschichten, der bedeckte Himmel oder der kontinuierliche Schneefall? Wir hinterfragten dies nicht und nahmen es so hin, denn es war uns durchaus recht. Allerdings verhinderte der Neuschnee durch eine Kombination mit Wind und Kälte, dass wir uns für eine zweite Tour entschieden, obwohl wir einer weiteren interessanten Linie zum Greifen nahe waren. Doch unvergesslich waren die Tage, auch wenn es bei genauem Überlegen keine Antwort auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Frierens, unbequemen Schlafens oder allgemein unserem Tun gibt. Glücklicherweise stellte uns diese zumindest bis jetzt auch keiner und wenn das Jahr schon mit solch positiven Erlebnissen startet, was will man mehr? Und mit diesen Worten sollte der Bericht eigentlich enden, doch schon wieder kommt alles anders als geplant und aus Plan A mit Alternativplan B wurde eher Plan Z und es begannen Tage mit vielen Rückschlägen, was die erfolgreiche Umsetzung von unseren Touren betrifft, wobei sich die Frage stellt, ob die Bezeichnung mit „Rückschlägen“ nicht zu negativ formuliert ist, doch fühlte es sich auf jeden Fall so an, nachdem einfach nichts mehr funktionieren wollte. Doch wenn ihr noch motiviert seid, lest selber: Erneut sollte es auf Eissuche gehen und diesmal waren wir uns sicher, mindestens einer der beiden Pläne ist mit Eisheitsgarantie. Allerdings wusste diesmal unser Auto nichts von den Plänen, denn nach weniger als einem Kilometer Fahrt leuchtete im Auto die Motorwarnleuchte auf. Der Versuch damit noch etwas weiterzukommen, gemäß dem Motto „Wird schon nicht so schlimm sein, leuchtet schließlich nicht rot“, ging es zugegebenermaßen nicht mehr wirklich weit, eigentlich nur noch wenige Meter. Und somit standen wir nun am Straßenrand der einzigen Hauptstraße aus Samedan hinaus, weit weg von jeglichen Eis. Vielleicht erneut ein Zeichnen von oben oder sonst woher, dass sich Eis und ich weiterhin in einer etwas krisenhaften Beziehung befinden? Doch damit stellte sich wie so oft in den letzten Tagen erneut die bereits bekannte Frage nach dem „was nun?“ Wobei ich jetzt keinen mit Formalitäten wie dem Aufstellen des Warndreiecks langweilen möchte. Nur so viel sei erzählt: Vom Fahrersitz hörte man Kristin nur sagen: „Ich brauche jetzt mal die Plätzchen!“. Die dringende Notwendigkeit von Nervennahrung war nur unschwer zu vernehmen und es folgte, ohne zu hinterfragen die unverzügliche Beschaffung der Plätzchen aus unserer Essenskiste. Da saßen wir nun also, zu dritt im kalten Auto, mit Plätzchen und Warteschleifenmusik der Versicherung, bis sich die Polizei zu uns gesellte. Jedoch nur kurz, denn auch sie mussten weiter und verließ uns mit dem Kommentar „Regelt einfach den Verkehr bis der Abschleppdienst kommt“. Alles klar, das ist ja überhaupt kein Problem, Chaos verursachen bekommen wir mit Ballung unserer gesamten Kompetenz schon hin. Aber nach kurzer Verwirrung identifizierten auch wir diese Anweisung als „Schmarrn“ und lauschten weiter der Warteschleifenmusik, warteten und schrieben unser geplantes Tagesprogramm immer weiter ab bzw. passten es an die äußeren Umstände an. Ausformuliert bedeutet dies: Werkstatt erreichen und dann mal weiter schauen.
Wäre es nicht viel besser, sich einfach immer an dem zu erfreuen, was man gemeinsam erlebt hat? Und davon gäbe es eigentlich reichlich viele Momente. Doch gibt es nun mal selten eine Bestätigung dafür, dass der Abbruch jetzt die richtige Entscheidung war und wir nur dadurch ohne Probleme zurückgekommen sind. Und damit wächst mit jedem Scheitern (genaugenommen wird dies vmtl. auch nur von uns als solches wahrgenommen) der Drang, unbedingt noch einmal etwas zu dritt zu machen. Daraus entsteht wiederum gerne mal ein kritisches Konfliktfeld zwischen diesem angesprochen Gefühl „unbedingt noch etwas machen zu wollen“ und einer dadurch verringerten Wahrnehmung potenziellen objektiven Gefahren bzw. der fehlenden offenen Ansprache erkannter Gefahren, weil man genau weiß, die anderen sind extrem motiviert noch einzusteigen, auch wenn etwas dagegensprechen würde. Jedoch will man auch nicht schon wieder die Person sein, die erneut zum Abbruch aufruft, egal wie gut es im Team harmoniert. Eine Schwäche, an der es wohl für alle noch zu arbeiten gilt. Doch vielleicht ist diese Erkenntnis und das reflektierte Nachdenken unseres Tuns schon ein erster Schritt in die richtige Richtung, im besseren Umgang mit solchen Situationen …
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